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Politik

Israel weist Apartheidsvorwürfe zurück

1. Februar 2022

Palästinenser würden in den besetzten Gebieten und in Israel selbst als "minderwertige" Bürger behandelt, erklärt Amnesty International in einem Bericht. Die israelische Regierung ist empört.

Israel Jerusalem | Zerstörtes Palästinensisches Haus
Israelische Polizisten vor einem abgerissenen Haus von Palästinensern in Ost-JerusalemBild: Mahmoud Illean/AP Photo/picture alliance

"Ob sie im Gazastreifen, in Ostjerusalem oder im restlichen Westjordanland oder in Israel selbst leben: Die Palästinenser werden als minderwertige ethnische Gruppe behandelt und systematisch ihrer Rechte beraubt", erklärte Amnesty-Generalsekretärin Agnès Callamard anlässlich der Veröffentlichung eines Berichts in London. Die "grausame Politik der Segregation, Enteignung und Ausgrenzung Israels in allen Gebieten unter seiner Kontrolle" komme einem System der "Apartheid" gleich. Unter Apartheid versteht man die Doktrin der Trennung einzelner ethnischer Bevölkerungsgruppen, sie wurde vor allem bis 1994 in Südafrika praktiziert.

Konkret wirft der Bericht Israel vor, durch Land- und Eigentumsbeschlagnahmungen, rechtswidrige Tötungen, Zwangsumsiedlungen, Bewegungseinschränkungen sowie die Verweigerung der Staatsbürgerschaft für Palästinenser ein System geschaffen zu haben, "das nach internationalem Recht einer Apartheid gleichkommt". Der israelische Staat müsse dafür zur Rechenschaft gezogen werden. Tel Aviv weist die Kritik zurück.

Appell an Sicherheitsrat

Die Menschenrechtsorganisation mit Hauptsitz in London rief den Internationalen Strafgerichtshof auf, den Tatbestand der Apartheid bei Ermittlungen zu berücksichtigen. Zudem forderte Amnesty den UN-Sicherheitsrat auf, ein Waffenembargo gegen Israel sowie Sanktionen zu verhängen.

Deutliche Worte: Amnesty-Generalsekretärin Agnès CallamardBild: Claudio Bresciani/TT News Agency/picture alliance

Amnesty verwende den Apartheidsbegriff in seinem völkerrechtlichen Sinne, betonte die Menschenrechtsorganisation. Eine Gleichsetzung der Situation der Palästinenser mit jener von Schwarzen im damaligen Apartheidstaat Südafrika sei damit nicht gemeint. Auch innerhalb Israels und der Palästinensergebiete gebe es Unterschiede, räumte Callamard ein. So erlebten arabische Israelis "die Apartheid auf andere Weise" als etwa ein im Gazastreifen lebender Palästinenser, sagte sie der Nachrichtenagentur AFP. Das "Regime der Apartheid" bestehe aber hier wie dort. 20 Prozent der Einwohner Israels sind Palästinenser mit israelischer Staatsbürgerschaft.

Israel weist Vorwürfe zurück

Israel und jüdische Verbände übten scharfe Kritik an dem Bericht. Außenminister Yair Lapid sagte, der Bericht sei "losgelöst von der Realität". Amnesty gründe seine Einstufung auf "von Terrororganisationen verbreitete Lügen". Die Organisation verneine Israels Existenzrecht als Nationalstaat des jüdischen Volkes und bediene sich "doppelter Standards und einer Dämonisierung, um Israel zu delegitimieren". Es gebe keine Vorwürfe dieser Art gegen Syrien, den Iran oder korrupte und mörderische Führungen in Afrika oder Lateinamerika, erklärte das Außenministerium weiter. Israel als jüdischer Staat werde dagegen zur Zielscheibe. Israel sei "nicht perfekt, aber es ist eine Demokratie, die dem Völkerrecht verpflichtet ist und sich der Überprüfung dessen stellt".

Der israelische Außenminister Lapid weist die Vorwürfe zurück (Archivbild)Bild: Nariman El-Mofty/AP Photo/picture alliance

Der Zentralrat der Juden in Deutschland prangerte den Amnesty-Bericht als "antisemitisch" an. Israel werde durch den Bericht "de facto das Existenzrecht abgesprochen". Während dem einzigen demokratischen Staat im Nahen Osten vorgeworfen werde, sein Rechtssystem und staatliches Handeln auf die Diskriminierung der Palästinenser auszurichten, würden die Hamas als "normale politische Partei dargestellt" und der "palästinensische Terror" völlig außer Acht gelassen. Zentralrats-Präsident Josef Schuster rief die deutsche Amnesty-Sektion auf, sich "von dem antisemitischen Bericht zu distanzieren".

Deutsche Amnesty-Sektion auf Distanz

Amnesty Deutschland versah die Veröffentlichung des Berichts auf seiner Website mit einer Zusatzbemerkung, in der auf die "besondere Verantwortung" der deutschen Amnesty-Sektion wegen des Holocaust hingewiesen wird. Da "im nationalen aktuellen wie historischen Kontext" eine "objektive, sachbezogene Debatte" über den Bericht "nur schwer möglich" sei und um "Missinterpretationen des Berichts" entgegenzuwirken, werde die deutsche Amnesty-Sektion zu dem Bericht keine Aktivitäten planen oder umsetzen.

Der Präsident des Europäischen Jüdischen Kongresses, Moshe Kantor, nannte den Bericht unprofessionell, fehlerhaft und böswillig. Es sei "nichts Neues in Amnestys plötzlicher Entdeckung des Wortes Apartheid in Bezug auf Israel". Die Organisation sei "im Gleichschritt mit antiisraelischen und antisemitischen Aktivisten". Wegen dieser "infamen Lügen" sei weltweit mit Angriffen auf Juden zu rechnen. Kantor rief die nationalen Amnesty-Sektionen auf, sich von dem Bericht zu distanzieren.

Vor Amnesty hatten bereits andere Menschenrechtsorganisationen Israel "Apartheid" vorgeworfen, darunter Human Rights Watch und die israelische Nichtregierungsorganisation B'Tselem. Zudem kritisieren Regierungen und NGOs weltweit, aber auch israelische Politiker und Organisationen häufig insbesondere die israelische Siedlungspolitik sowie Militäreinsätze im Westjordanland.

Förderung des Antisemitismus?

Der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, Ronald Lauder, erklärte angesichts des Amnesty-Berichts, die "vorurteilsbehafteten" Analysen dieser Menschenrechtsorganisationen würden Antisemitismus "unter dem Deckmantel der politischen Korrektheit befeuern". Callamard wies die Vorwürfe zurück. "Eine Kritik an der Praxis des Staates Israel ist absolut keine Form von Antisemitismus", erklärte sie. Amnesty sei "gegen Antisemitismus, gegen jede Form von Rassismus".

Nach einem Bericht der israelischen Zeitung "Haaretz" lehnten israelische Behörden seit 2012 Bitten von Amnesty um Treffen oder Stellungnahmen zu seinen Berichten ab, so auch im Oktober den Wunsch nach einer Begegnung mit Außenminister Jair Lapid.

kle/sti (afp, kna, dpa)

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