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Coco Chanel: Mode-Star mit Doppelleben

Brenda Haas
17. September 2023

Coco Chanel war nicht nur eine Mode-Ikone des 20. Jahrhunderts. Sie hatte auch dubiose Beziehungen zu den Nationalsozialisten. Die Londoner Ausstellung "Gabrielle Chanel. Fashion Manifesto" zeigt die Widersprüche auf.

 Schwarz-weiß-Aufnahme: Coco Chanel liegt auf einem Sofa und schaut in die Kamera (1954)
Coco Chanel 1954Bild: AP Photo/picture alliance

Es ist eines der bekanntesten Logos der Luxusmode: ein Paar ineinandergreifender Cs.

Es sind die Initialen einer französischen Fashion-Ikone des 20. Jahrhunderts - und gleichzeitig könnten sie auch ein Zeichen für den Widerspruch sein, für den die Person Coco Chanel steht: kreativ und umstritten.

"Kreativ" deshalb, weil sie - nicht nur einmal - die Mode revolutioniert hat. Sie befreite Frauen von ihren Korsetts. Sie stylte Herrenmode zur Damenmode um. Sie machte das "Kleine Schwarze" salonfähig.

Groben Tweed und Jersey erhob sie zu laufstegtauglichen Stoffen. Und mit der Chanel 2.55 Stepphandtasche mit dem langen Kettenschulterriemen schuf sie einen Modeklassiker.

Und dann war da noch dieser Duft, von dem die amerikanische Schauspielerin Marilyn Monroe sagte, dass sie ihn im Bett trug - und sonst nichts: Chanel N°5.

Marilyn Monroe umhüllte sich Tag und Nacht mit Chanel N°5Bild: Ed Feingersh/Michael Ochs Archives/Getty Images

"Umstritten" deshalb, weil ihr nachgesagt wird, dass sie mit den Nazis kollaboriert habe. Dies dokumentiert der Journalist Hal Vaughan in seinem 2011 erschienenen Buch "Sleeping With The Enemy: Coco Chanel's Secret War" (deutscher Titel: "Coco Chanel - Der schwarze Engel: Ein Leben als Nazi-Agentin").

Vaughan deckt auf, dass Chanel während der deutschen Besatzung Frankreichs im Zweiten Weltkrieg ein Verhältnis mit dem deutschen Baron Hans Günther von Dincklage hatte - ein Sonderbeauftragter des Reichspropagandaministeriums, mit dem sie nicht nur das Bett, sondern auch seine rechtsextremen Ideologien teilte.

Chanel-Ausstellung in London

Diese verschiedenen Facetten der angesehenen Modepionierin werden in der Ausstellung "Gabrielle Chanel. Fashion Manifesto" beleuchtet, die am 16. September im Victoria & Albert Museum (V&A) in London eröffnet wird.

Ein Chanel-Kleid von 1926Bild: Edward Steichen/Condé Nast/Shutterstock

Die Ausstellung zeichnet die Geschichte der 1883 geborenen Modeschöpferin von der Eröffnung ihrer ersten Boutique in Paris im Jahr 1910 bis zur Präsentation ihrer letzten Kollektion zwei Wochen nach ihrem Tod im Jahr 1971 nach. Sie erkundet auch, wie Chanels unverkennbarer Stil im 21. Jahrhundertnoch immer nachhallt.

Inspiration im Kloster

Chanel stammte aus einfachen Verhältnissen und lernte das Nähen und Sticken bei den Nonnen, die sie nach dem Tod ihrer Mutter aufzogen. Die ineinandergreifenden C-Buchstaben ihres Logos sollen von den Glasfenstern des Klosters, in dem sie lebte, inspiriert worden sein.

Die von ihr bevorzugte Farbpalette von Schwarz und Weiß erinnern an die Nonnentracht - und die Perlen, mit denen sie ihren Schmuck kreierte, können auf die Rosenkränze zurückgehen.

Zum ersten Mal zeigt das V&A mehr als 180 Chanel-Looks an einem Ort. Kleidung, Schmuck, Accessoires, Kosmetika und Parfums belegen Chanels innovative Ansätze im Modedesign - sei es in Bezug auf Silhouetten, Stoffe oder Farben - die die Art und Weise, wie sich Frauen kleiden, radikal verändert haben.

Klare Formen, edle Stoffe: ein Chanel-Kleid aus dem Jahr 1936Bild: Andre Durst/Condé Nast/Shutterstock

Ausstellungskuratorin Oriole Cullen erklärte gegenüber dem "Guardian", das Team habe "internationale Sammlungen nach noch nie gesehenen Stücken durchforstet, von denen einige über 100 Jahre alt sind".

Zu den Exponaten zählen Chanel-Kleider der Hollywood-Stars Lauren Bacall und Marlene Dietrich. Auch die des britischen Topmodels Anne Gunning aus den 1950er-Jahren. Chanel hätte sie gerne für ihre Shows gewonnen - doch Gunning war nicht für den Laufsteg zu haben.

"Die schönste Uniform der Welt"

Keine Chanel-Retrospektive ist vollständig ohne die klassischen Kostüme, die ihren Ursprung in ihrer Zeit im Vereinigten Königreich haben, als Coco Chanel mit dem Duke of Westminster zusammen war. Damals lieh sie sich Kleidung aus schottischem Tweed aus der Garderobe des Dukes für Spaziergänge und Angelausflüge in Schottland aus.

Der Stoff überzeugte sie - und so entstanden die ersten Chanel-Kostüme aus Tweed mit ihren gerade geschnittenen Röcken und dem kurzen Jackett. Die Zeitschrift "Vogue" bezeichnete diese Kreation 1964 als "die schönste Uniform der Welt". 50 davon sind in dieser Ausstellung zu sehen.

Gleich zwei Klassiker aus dem Jahr 1959: Das Tweed-Kostüm und die gesteppte HandtascheBild: CHANEL

Auch das berühmte "kleine Schwarze" wird in verschiedenen Variationen gezeigt. Als Chanel 1926 ein Bild eines wadenlangen, geraden schwarzen Kleides veröffentlichte, taufte die amerikanische "Vogue" es "Chanel's Ford". Die Zeitschrift verglich das Kleid mit dem berühmten Ford Model T, damals eins der ersten erschwinglichen Automobile: schlicht und zugänglich für alle Gesellschaftsschichten.

Nazi-Kollaborateurin?

Obwohl sich die V&A-Ausstellung hauptsächlich auf Coco Chanels Mode-Karriere konzentriert, erklärte Kuratorin Oriole Cullen gegenüber dem "Guardian", dass man keine Ausstellung über Chanel machen könne, ohne auf ihre Kriegsvergangenheit einzugehen.

Zu den Exponaten gehören daher auch Abschriften von Verhören dreier Nazi-Beamter aus der Nachkriegszeit, die Chanel unabhängig voneinander als vertrauenswürdige Quelle nannten.

Die Dokumente, die Hal Vaughans Biografie von 2011 zugrunde lagen, lieferten Beweise dafür, dass Chanel auch an Nazi-Missionen beteiligt war. Sie hatte eine Agentennummer (F-7124) und den Codenamen "Westminster", nach ihrem ehemaligen Geliebten, dem Duke of Westminster.

Résistance-Kämpferin?

Vor diesem Hintergrund ist es besonders interessant, dass die Ausstellung auch bisher unveröffentlichte Dokumente zeigt, die auf Chanels mutmaßliche Beteiligung an der französischen Widerstandsbewegung hinweisen.

Coco Chanel begutachtet eines ihrer Models (1957)Bild: United Archives/picture alliance

So soll der Name "Gabrielle alias Coco Chanel" auf einer Liste von 400.000 Personen stehen, deren Zugehörigkeit zur Résistance durch offizielle Unterlagen belegt ist.

"Wir haben Nachweise von der französischen Regierung, einschließlich eines Dokuments aus dem Jahr 1957, das ihre aktive Teilnahme am Widerstand bestätigt", sagte Kuratorin Cullen dem "Guardian", betont aber: "Das neue Beweismaterial entlastet sie nicht. Sie machen das Bild nur noch komplizierter. Wir können nur sagen, dass sie mit beiden Seiten zu tun hatte."

Mit dieser verwirrenden Doppelrolle der Modeschöpferin beschäftigt sich auch eine BBC-Dokumentation mit dem Titel "Coco Chanel Unbuttoned" (Coco Chanel ohne Knöpfe), die einen Tag vor Beginn der V&A-Ausstellung ausgestrahlt wurde.

"Menschen wünschen sich, dass ihre Idole auch 'gute Menschen' sind, und obwohl ich diesen Wunsch verstehe, glaube ich nicht, dass Menschenniemals wirklich eindeutig 'gut' oder 'schlecht' sind", sagte die Filmemacherin Hannah Berryman dem "Observer". Chanel sei eine Opportunistin und Überlebenskünstlerin gewesen, was wahrscheinlich ihre Entscheidungen beeinflusst habe.

Die Ausstellung "Gabrielle Chanel. Fashion Manifesto" ist bis zum 25. Februar 2024 im Londoner Victoria and Albert Museum zu sehen.

Adaption aus dem Englischen: Silke Wünsch

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