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KonflikteUkraine

Aktuell: Gefechte beim Atomkraftwerk Saporischschja

1. September 2022

Kurz vor der Ankunft der IAEA-Experten gab es schwere Kämpfe nahe dem Atomkraftwerk. Die ungarische Regierung weicht in der Energiepolitik weiter von der EU-Linie ab. Nachrichten im Überblick.

Atomkraftwerk Saporischschja
Reaktorblock 1 des ukrainischen Atomkraftwerks Saporischschja Bild: Alexander Ermochenko/REUTERS

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Schwere Gefechte am Atomkraftwerk Saporischschja
  • IAEA will dauerhafte Mission im AKW
  • Ein Reaktorblock nach Mörser-Beschuss abgeschaltet
  • Ungarn sichert sich zusätzliche Gaslieferungen aus Russland 
  • Steinmeier kritisiert russisch-orthodoxe Kirchenführung

 

Kurz vor dem Eintreffen der Experten der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) im ukrainischen Atomkraftwerk Saporischschja sind in der nahegelegenen Kleinstadt Enerhodar wieder Kämpfe ausgebrochen. Ukrainer und Russen gaben sich gegenseitig die Schuld dafür. "Seit fünf Uhr morgens ist Beschuss aus Granatwerfern zu hören", schrieb der geflohene ukrainische Bürgermeister von Enerhodar, Dmytro Orlow, im Onlinedienst Telegram. Mehrere zivile Objekte seien getroffen worden, es gebe Tote. Auch die abgestimmte Route, die die Expertenkommission von Saporischschja in das 120 Kilometer entfernte AKW nehmen soll, sei unter Beschuss, erklärte der Gouverneur des Gebiets, Olexandr Staruch, auf Twitter.

Internationale Atomexperten beim AKW

Trotz der anhaltenden Kämpfe hat die internationale Beobachtermission der Internationalen Atombehörde IAEA das Atomkraftwerk in Saporischschja erreicht. Die Experten sollen die Sicherheit des AKW gewährleisten. Die Atomanlage wird von russischen Kräften kontrolliert und war in den vergangenen Wochen mehrfach unter Beschuss genommen worden. Die beiden Kriegsparteien machen sich gegenseitig dafür verantwortlich.

International gibt es zunehmend Sorge, dass es zu einem nuklearen Zwischenfall kommen könnte. Nach Angaben der ukrainischen Atombehörde Enerhoatom, die das Kraftwerk betreibt, war die Anlage auch an diesem Donnerstag wieder beschossen worden. Auch der Konvoi der IAEA musste Medienberichten zufolge mehrfach stoppen, um nicht unter Feuer zu geraten.

Nach einer ersten Inspektion erklärten die Experten, dort eine dauerhafte Mission einrichten zu wollen. IAEA-Chef Rafael Grossi erläuterte auf Twitter: "Ich habe gerade einen ersten Rundgang durch die Schlüsselbereiche absolviert. Es gibt noch viel zu tun." Einige seiner Teamkollegen fuhren derweil zurück ins Hotel, andere blieben für weitere Untersuchungen auf dem Gelände.

AKW-Reaktor nach Mörser-Beschuss abgeschaltet

Einer von zwei noch betriebenen Reaktoren im AKW Saporischschja ist nach Angaben des ukrainischen Betreibers Energoatom nach russischem Beschuss heruntergefahren worden. Das Notsystem sei nach Mörser-Beschuss aktiviert und Reaktor Nummer 5 abgeschaltet worden. Reaktor Nummer 6 produziere weiter Strom, den die AKW-Anlage für den eigenen Betrieb benötige. 

Das AKW ist mit sechs Reaktoren das größte Europas. Die IAEA will nach eigenen Angaben an dem Atomkraftwerk eine "dauerhafte Präsenz" einrichten. Die von Russland eingesetzte Verwaltung in der Region hatte hingegen angedeutet, dass die geplante Inspektion durch IAEA-Experten lediglich einen Tag dauern werde.

Bereits in den vergangenen Wochen war es am und um das Atomkraftwerk wiederholt zu Angriffen gekommen, wofür sich Kiew und Moskau gegenseitig verantwortlich machten. Der Beschuss nährte die Furcht, dass es in Saporischschja zu einer ähnlichen Katastrophe kommen könnte wie 1986 im ukrainischen, damals zur Sowjetunion gehörenden Tschernobyl.

Sonderkonditionen für Ungarn

Ungeachtet der Bestrebungen der Europäischen Union nach Unabhängigkeit von russischem Gas hat das EU-Mitgliedsland Ungarn erneut mit Russlands Staatskonzern Gazprom Sonderkonditionen ausgehandelt. Man habe eine Einigung für die Monate September und Oktober erzielt, teilte der ungarische Außenminister Peter Szijjarto mit. Die zusätzlich von Gazprom gelieferte Gasmenge werde vom 1. September an pro Tag 5,8 Millionen Kubikmeter betragen.

Verkündete den Deal mit Russland: Ungarns Außenminister Peter SzijjartoBild: Tomas Tkacik/SOPA/ZUMA/picture alliance

Gazprom hatte nach ungarischen Angaben bereits im August begonnen, dem Land mehr Gas als "bereits vertraglich vereinbart" zu liefern. Damals hieß es, bis Ende August würden zusätzlich 2,6 Millionen Kubikmeter pro Tag per Pipeline nach Ungarn kommen. Regierungschef Viktor Orban verurteilte zwar den russischen Einmarsch in die Ukraine, die Sanktionspolitik der EU kritisiert er jedoch regelmäßig scharf.

Seit Beginn des Ukraine-Kriegs im Februar hat Russland seine Gaslieferungen nach Europa deutlich gedrosselt. Am Mittwoch stoppte Gazprom erneut die Exporte nach Deutschland über die Pipeline Nord Stream 1 - nach Angaben des Staatskonzerns für drei Tage wegen weiterer Wartungsarbeiten. Dies befeuerte in Gas-Abnehmerländern neue Ängste vor Versorgungsengpässen im Winter.

"Wer kann, sollte allmählich geplant abreisen"

Die ukrainische Regierung rät Menschen aus den umkämpften Gebieten im Osten und Süden des Landes zur Flucht vor Beginn der kalten Jahreszeit. "Ich fordere dringend die Evakuierung aus Donezk, Cherson, Saporischschja und einem Teil der Region Charkiw vor dem Einsetzen des kalten Wetters", sagte Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk im ukrainischen Fernsehen. "Wer kann, sollte allmählich geplant abreisen." Sie rate auch niemandem, vor dem nächsten Frühjahr in diese Gebiete zurückzukehren, selbst wenn das Problem der Wärmeversorgung gelöst werden sollte.

Bislang habe die Regierung nur für das Gebiet Donezk eine zwangsweise Räumung angeordnet, erläuterte Wereschtschuk. Für andere Gebiete oder Teile davon werde das derzeit geprüft.

Leben und Sterben in der Region Charkiw

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"Gewisse Vorwärtsbewegung" ukrainischer Truppen 

Im Kampf gegen russische Truppen sehen die USA einige Fortschritte des ukrainischen Militärs im Süden des Landes. "Uns sind ukrainische Militäroperationen bekannt, die eine gewisse Vorwärtsbewegung gemacht haben, und aus der Region Cherson wissen wir, dass russische Einheiten in einigen Fällen zurückfallen", berichtete Pentagon-Sprecher Patrick Ryder. Mit Blick auf militärtaktische Überlegungen wollte er allerdings nicht ins Detail gehen. Die USA würden weiter sicherstellen, dass die Ukraine alle Kapazitäten habe, um sich gegen die russischen Streitkräfte zu verteidigen, versicherte Ryder.

Informierte die Presse: Pentagon-Sprecher Patrick RyderBild: Andrew Harnik/AP/picture alliance

Ein Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj warnte vor der Erwartung eines "schnellen Erfolges". Es sei ein sehr langsamer Prozess, da man ukrainische Verluste vermeiden wolle, sagte Oleksyj Arestowytsch. "Es müssen so viele Ukrainer wie möglich wieder nach Hause kommen", ergänzte er in einem auf YouTube veröffentlichten Video.

Steinmeier kritisiert russisch-orthodoxe Kirchenführung

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat zum Auftakt des Welt-Ökumene-Gipfels in Karlsruhe die russisch-orthodoxe Kirchenleitung in ungewöhnlich scharfer Form angegriffen. "Auf einen schlimmen, ja geradezu glaubensfeindlichen und blasphemischen Irrweg führen zurzeit die Führer der russisch-orthodoxen Kirche ihre Gläubigen und ihre ganze Kirche", sagte Steinmeier unter großem Applaus auf der 11. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK), der mehr als 580 Millionen Christen vertritt.

Klartext in Karlsruhe: Bundespräsident Frank-Walter SteinmeierBild: Uli Deck/dpa/picture alliance

Die russisch-orthodoxe Kirchenführung habe sich mit den "Verbrechen des Krieges gegen die Ukraine gemein gemacht", erklärte Steinmeier. Sie rechtfertige "einen Angriffskrieg gegen die Ukraine - gegen ihre eigenen, gegen unsere eigenen Brüder und Schwestern im Glauben", fügte er hinzu. Diese Propaganda müsse auf dem Ökumene-Gipfel auf Widerspruch stoßen. An dem Treffen nehmen sowohl Vertreter der russisch-orthodoxen als auch der ukrainischen Kirchen teil.

Selenskyj: "Ein Drama, eine Tragödie, ein Horror"

Auf der Eröffnungsgala der Filmfestspiele Venedig ist der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj per Video zugeschaltet worden. "Ich bin dankbar für die Möglichkeit, hier über unsere Situation zu sprechen", sagte Selenskyj am Mittwochabend. "Seit 189 Tagen läuft diese Geschichte außer Konkurrenz, es ist ein Drama, das auf Fakten, Mördern, Schlächtern basiert, eine Tragödie ohne die Musik von Morricone, ein Horror aus Explosionen und Tod, der nicht nur 120 Minuten dauert." Nach seiner Rede wurde eine Liste mit ukrainischen Todesopfern eingeblendet.

Zugeschaltet aus Kiew: Staatschef Wolodymyr Selenskyj Bild: Claudio Onorati/ZUMA/IMAGO

In Venedig sind Veranstaltungen in Solidarität mit der Ukraine geplant, etwa Filmbeiträge und das Vorstellen aktueller Projekte zur Vernetzung oder Finanzierung. Auch bei den Filmfestspielen in Cannes und etwa bei den Grammys war Selenskyj zugeschaltet.

uh/qu/se/gri/wa/mak (dpa, afp, rtr, kna, epd)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

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